Frühe Bildung

Die Gestaltung und Begleitung von Lernsituationen ist ein zentrales Aufgaben- und Betätigungsfeld in der frühkindlichen Bildung.

Pädagoginnen und Pädagogen versuchen anhand unterschiedlicher Beobachtungs- und Reflexionsformate die Interessen und Themen von Kindern zu erkennen, um daraus Lernarrangements zu generieren. Kinder finden losgelöst von inszenierten Settings eigene Fragestellungen, denen sie intrinsisch motiviert eigenständig nachgehen. Es sind authentische Herausforderungen, die sich meist als improvisierte Choreografien der Kinder (alleine oder in der Gruppe) handelnd in hohem Maße auf eine ästhetische Weise vollziehen.

Ein Kind, das sich in einem ästhetischen Prozess befindet, sucht sich seinen eigenen Weg und entwirft dabei seine eigene Choreografie. Ästhetische Prozesse verlaufen in ihrer inneren Struktur nicht linear, sondern besitzen vielmehr eine komplexe Eigendynamik. Diese Lern- und Bildungsprozesse, die sich in der frühen Kindheit oft in gestalteten Spiel-Phantasien äußern, weisen Ideenwanderungen und Ideenkreuzungen auf, die häufig in konzentrierten Arbeitsphasen umgesetzt werden.

Frühkindliches Lernen ist in hohem Maße Sinngebungsarbeit und Bedeutungserschließung und findet dabei im selbstständigen Handeln sowie im Austausch untereinander und mit Erwachsenen seinen Ausdruck. Die Begleitung frühkindlicher Lernprozesse bedarf daher eines achtsamen Handelns, das sich sensibel zwischen Anleitung und Selbstbildung an den authentischen Herausforderungen der orientiert.

Im rhythmisierten Kindergartenalltag besteht eine vordringliche Aufgabe auch darin, authentischen Herausforderungen von Kindern nicht nur Vorrang zu gewähren, sondern ausreichend Zeit, Material  und Raum für die Bearbeitung bzw. Weiterentwicklung ihrer Themen und Fragestellungen zur Verfügung zu stellen.

Frühkindliche ästhetische Bildung
In den vergangenen Jahren hat sich ein neues Bild vom Kind durchgesetzt, das auch Begründungen und Orientierungen für die ästhetische Bildung in der frühen Kindheit gibt. Es gilt heute als unbestritten, dass Kinder von Anfang an in Dialog und Austausch mit ihrer Welt treten, sich der umgebenden Welt auswählend und deutend zuwenden und ihre eigenen Selbst- und Weltbilder „konstruieren“. Dies tun sie in entscheidendem Maße auf ästhetische Weise – nicht nur akustisch, olfaktorisch, leiblich, taktil, visuell, mit ihrem Bewegungssinn usw., sondern zugleich auch intentional, Sinn und Bedeutung stiftend, sich und die Welt interpretierend.

Das Kind erwirbt auf diese Weise die Fähigkeit, Wirklichkeit gedanklich, symbolisch, gestalterisch u.a. auszulegen und neu entwerfen zu können. Um Kinder innerhalb dieser grundlegenden Entwicklungsprozesse nachhaltig u fördern, muss es gelingen, die Komplexität ästhetischer Bildungsprozesse in ihrer Spezifik zu erkennen und die Kinder – dieser gemäß – zu unterstützen. Das heißt, über bloße Übungen zur Sensibilisierung der sinne oder das Kennen lernen bildnerisch-praktischer Verfahren (malen, plastizieren usw.) hinaus, muss berücksichtigt werden, dass sich Neues immer mit Bekanntem verbindet und dadurch Modifikationen, Differenzierungen, Vertiefungen schafft, die wiederum erst Lernen und Entwicklung ermöglichen.

Das Neue existiert nicht in einem „luftleeren Raum“ sondern „antwortet“ jeweils auf etwas, was bereits vorhanden ist. Jeder ästhetische Bildungsmoment kann deshalb als ein „Mosaikstein“ in einem umfänglichen, sich stetig differenzierenden Weltbild eines Kindes aufgefasst werden – und hat als solcher Bedeutung.

Im Kontext bildnerische Gestaltung geht es innerhalb dieser ästhetischen Bildungsprozesse konkret um das Zusammenspiel von geschärfter Wahrnehmung, der Vorstellungsbildung, der Fantasie, der Ausdrucksbedürfnisse, der Analyse und Deutung von Bildern in ihrer Vielschichtigkeit , um das Hervorbringen von Bildern, um die Formfindung und Gestaltgebung und um die Präsentation.

Zur Charakterisierung der Spezifika gerade frühkindlicher ästhetischer Bildungsprozesse stehen folgende Aspekte im Vordergrund:

  1. Der kindliche Selbst- und Weltzugang ist in erster Linie ein ästhetischer.
  2. In einer Situation entsteht Aufmerksamkeit für etwas und wird zum Anlass für ästhetische Prozesse.
  3. Unterschiedliche ästhetische Handlungs- und Denkformen verbinden sich zu komplexen ästhetischen Weltzugängen.
  4. Ästhetische Prozesse verlaufen im Sinne einer improvisierten Choreografie.
  5. Das Zusammenspiel von ästhetischen Handlungs- und Denkformen kann sich in Gestaltungsprozessen verdichten.
  6. Die frühkindliche ästhetische Bildung fordert Pädagoginnen und Pädagogen heraus, individuelle ästhetische Interessen von Kindern wahrzunehmen und aufzugreifen, ästhetische Prozesse anzuregen und als weiterführende Lernchancen zu nuten.