Kompetenzbereiche

Allgemeine Kompetenzen bleiben leer, wenn sie keine konkreten fachlichen Anwendungsbezüge haben. Denn es ist nicht egal, woran sich beispielsweise methodische Kompetenz bildet. Für diesen konkreten Anwendungsbezug sind die fachlichen Kompetenzfelder entscheidend, denn an ihnen konkretisieren sich allgemeine Kompetenzen. Umgekehrt bieten die fachlichen Kompetenzfelder spezifische Anwendungsbezüge für die Herausbildung allgemeiner Kompetenzen. So können methodische Kompetenzen in Bezug auf die Modifizierung der eigenen Bildsprache gewonnen werden oder soziale Kompetenzen in Bezug auf kulturelles Lernen. Ebenso kann die Weiterentwicklung der eigenen bildsprachlichen Fähigkeiten das Selbstkonzept stärken und so im Sinne der Selbstkompetenz wirksam werden.

Kompetenzfeld: die eigene „Bildsprache“
Unter dem Stichwort „Kinderzeichnung“ eröffnet sich ein großes und gut erforschtes Feld einer kindlichen Bildsprache. In der Reggiopädagogik wird von den „100 Sprachen des Kindes“ gesprochen – in diesem Sinne gehört zum Repertoire der kindlichen Bildsprache mehr als nur das Zeichnen. Es gehören dazu alle bildnerischen Ausdrucksmöglichkeiten vom Plastizieren und Collagieren bis zum Malen und Fotografieren.

Es muss beachtet werden, dass es einen Unterschied zwischen den „freien“ bildnerischen Äußerungen und den „initiierten“ (etwa durch Kunstunterricht initiierten) bildnerischen Äußerungen eines Kindes gibt. Diese beiden bildsprachlichen Realisationen korrespondieren zwar, aber sie gehen nicht ineinander auf. Ein wichtiges Kriterium ist die bildnerische Intention von Kindern, die im Gestaltungsbedürfnis bei freien und initiierten Bildern berücksichtigt werden sollte.

Die kunstunterrichtliche Herausforderung besteht darin, Unterstützung und Begleitung zu leisten. Kinder sollten Bilder so verwirklichen können, wie es ihrer Altersspezifik und individuellen Lebenspraxis adäquat ist.

Kompetenzfeld: ästhetische Wahrnehmung, ästhetische Erfahrung und ästhetische Prozesse
Dass Menschen ihrer Welt auf ästhetische Weise begegnen und sich ästhetisch in ihr artikulieren ist unstrittig. Zu beklagen ist jedoch mit Blick in die Grundschule eine falsch verstandene Auffassung von Ästhetik als Sinnenschulung. Dies führt zu Engführungen und Verzerrungen des Ästhetischen, weil die produktiv hevorbringende, aktiv gestaltende Seite des Ästhetischen zu kurz kommt. In der frühkindlichen Bildung wird derzeit sehr innovativ über ästhetische Bildungsprozesse von Kindern nachgedacht. Die BDK-Arbeitsgruppe Grundschule hat sich in diesen Diskurs eingeschaltet und ein Diskussionspapier erarbeitet, das viele interessante Erkenntnisse und eine aufschlussreiche Konzeption ästhetischer Bildung – an der Schnittstelle von Kindergarten zur Grundschule – vorstellt. Drei zentrale Erkenntnisse sind:

  • Eine Situation erzeugt Aufmerksamkeit für etwas und wird für Kinder zum Anlass für ästhetische Prozesse
  • Den Horizont ästhetischer Prozesse bilden Momente ästhetischen Lernens: nicht nur Wahrnehmung und Gestaltung, sondern: Imagination, Hantieren-Erkunden-Begreifen, Dialog mit anderen, Rhythmisieren, Lauterzeugen usw.
  • Besonders bedeutsam ist die Erkenntnis, dass sich ästhetische Prozesse nicht linear bewegen, sondern als „improvisierte Choreographie“.

Die Erkenntnisse aus der frühkindlichen Bildung legen nahe, dass das Ästhetische, genau: ästhetische Wahrnehmung, ästhetische Erfahrung, ästhetische Prozesse, als eigenständiges Kompetenzfeld von Kindern anzuerkennen und dementsprechend didaktisch aufzubereiten ist.

Kompetenzfeld: Explorieren, Experimentieren, Gestalten
Dieses Kompetenzfeld fokussiert die künstlerisch-ästhetische Praxis von Kindern. Gemeint ist die Produktion, also der (bildnerisch) handelnde Umgang mit der Welt. Dabei geht es nicht nur um das „Gestalten“, sondern auch um vorgestalterische Handlungen, um das Experimentieren und das Explorieren. Explorieren, Experimentieren und Gestalten sind Formen ästhetischen Verhaltens. Sie greifen ineinander, lassen sich in ihrer Intentionalität und in ihrem Handlungsrepertoire aber voneinander unterscheiden.

Kompetenzfeld: Kunst
Künstlerinnen und Künstler nehmen die Welt nie selbstverständlich wahr, sondern begegnen ihr aufmerksam und gleichermaßen skeptisch. Sie nehmen eine fragende Haltung ein und versuchen, der Welt auf künstlerisch-ästhetische Weise zu begegnen.

Auch die Begegnung mit Kunst ist zunächst eine subjektive Angelegenheit. Schwieriger und herausfordernder ist es, Kunst im Horizont kultureller Praxis zu verstehen. Das sollten Kinder lernen. Wie Verstehensprozesse von Kindern angemessen methodisch begleitet und unterstützt werden, ist inzwischen in der Fachdidaktik gut ausgearbeitet. Darüber hinaus gibt es sehr interessante methodische Zugänge zur Kunst über das sogenannte „Philosophieren mit Kindern“.

Ein Blick in die Materialien zum Kunstunterricht in der Grundschule zeigt jedoch eine zumeist sehr enge Auswahl an Kunstwerken. Obwohl die Präferenzforschung längst eindeutig nachgewiesen hat, dass die angeblichen Vorlieben von Kindern für die Kunstwerke der Klassischen Moderne (Franz Marc, Paul Klee – und dann weiter: Niki de Saint Phalle, Friedensreich Hundertwasser) KEINE Vorlieben von Kindern, sondern Vorlieben von Erwachsenen sind, die meinen, dies seien „kindgemäße“ Kunstwerke, hält sich diese Bildauswahl seit Jahrzehnten hartnäckig. Hier ist ein Umdenken notwendig.

Wenn wir Kunst als allgemeinbildendes Feld begreifen, in dem Kinder Kompetenzen für ihre spätere Lebensweise gewinnen, dann benötigen wir die ganze Vielfalt der Kunst: von der historischen Kunst zur zeitgenössischen Kunst bis hin zur Weltkunst, von der Hochkunst bis zur Street Art im urbanen Raum und auch die angewandte Kunst. Das ist die Herausforderung des Kompetenzfeldes Kunst.

Kompetenzfeld: Bilder
Bilder – und zwar mehrheitlich nichtkünstlerische Bilder – gehören nicht nur zu Lebenswelt von Kindern, sie sind die Lebenswelt von Kindern. Sie sind nicht lediglich Elemente, die die Lebenswelt ergänzen, sie bringen zunehmend einen großen Teil der Lebenswelt hervor.

Umso bedeutender ist ein reflektierter und kompetenter Umgang mit Bildern und Bildlichkeit, die Kindern dabei helfen, sich in der Bilderwelt zu orientieren und in Rezeption und Produktion sachkundig mit Bildern umzugehen.

Zur Themenseite