Ästhetische Prozesse begleiten

Individuelle ästhetische Interessen von Kindern wahrzunehmen und aufzugreifen, ästhetische Prozesse anzuregen und als weiterführende Lernchancen zu nutzen, bedeutet, Fördermaßnahmen zu ergreifen, die auf genauer Beobachtung und Kenntnis der Kinder basieren. Konkret heißt das: zuzuschauen, was das Kind macht, zu beobachten, was es gerade interessiert, und entsprechend einzugreifen – z.B.:

  • ästhetische Reize zu bieten, wenn das Kind sich langweilt,
  • Karton zu holen, wenn er fehlt,
  • Anschauungsmaterial für ein bestimmtes Thema verfügbar zu machen,
  • technische Hilfestellung zu bieten,
  • auffordern zu verweilen,
  • etwas vorzumachen,
  • ein Material hervorzuheben,
  • ein Thema zu beleuchten,
  • vorsichtig zu etwas hinzuführen,
  • etwas weiterzuführen,
  • Alternativen aufzuzeigen,
  • zu irritieren,
  • in Frage zu stellen,
  • das Kind in seinem Tun zu bestärken,
  • die Weiterarbeit zu intensivieren,
  • ausgewähltes Material verfügbar zu machen,
  • das Kind vertieft sein zu lassen, nicht zu unterbrechen,
  • gleichgesinnte Kinder zusammenzuführen,
  • Reflexionsprozesse anzustoßen usw.

 

Oftmals genügt es, die Kinder auf etwas aufmerksam zu machen, um ästhetisches Interesse zu wecken und Gestaltungsprozesse anzustoßen. Das Vertiefen dieser Prozesse kann durch gemeinsame Präsentationen eigenständig entwickelter bildnerischer Ergebnisse und Zwischenbesprechungen geschehen – wenn Ideen gezeigt und verfolgt werden oder wenn über Bilder und Prozesse berichtet wird.

Darüber hinaus ist es notwenig, das ästhetische Verhalten jedes einzelnen Kindes kontinuierlich zu dokumentieren, um Entwicklungsprozesse über einen längeren Zeitraum hinweg verfolgen zu können. Hierbei können Beobachtungsbögen helfen, auf denen Materialvorlieben und Präferenzen für ästhetisches Handeln (sammeln, ordnen, zeichnen, malen, drucken, kneten, bauen, formen, konstruieren, Bilder betrachten, Farbvorlieben, bevorzugte Techniken etc.) notiert werden. Dazu gehört auch das Zusammenstellen der bildnerischen Ergebnisse des Kindes in einer Mappe, evtl. auch Fotos der Gestaltungsprozesse usw. Auf diese Weise wird die bildnerische Entwicklung des Kindes sichtbar. Die regelmäßige Dokumentation des ästhetischen Verhaltens erlaubt es, systematisch und langfristig das ästhetische Vermögen des Kindes – und damit seine Bildlese- und Gestaltungskompetenz – zu unterstützen und zu fördern.

Wenn ästhetische Bildungsprozesse an vorhandenen Interessen der Kinder anknüpfen sollen, bedeutet dies, in der Beobachtung der kindlichen Prozesse sowohl deren aktuelle Erfahrungs- und Interessenlage wahrzunehmen wie auch das ästhetische Potenzial einer Situation. Um diese kindlichen Lernprozesse verstehen und fördern zu können, ist ein „quer“ Denken hilfreich, das hin zum Lernen in Sinnzusammenhängen führt. Jede Situation erfordert erneut eine differenzierte Beobachtung und Analyse sowie kontextbezogenes Entscheiden darüber, wo angeknüpft, wie reagiert und gehandelt wird. Es ergeben sich hieraus komplexe situative Anforderungen an die Pädagoginnen, um die ästhetischen Prozesse sinnvoll zu unterstützen: Momente ästhetischen Lernens müssen erkannt, ästhetische Prozesse zugelassen und unterstützt, ästhetische Interessen aufgegriffen und weiterentwickelt werden.

Die Organisation ästhetischer Bildungsprozesse verlangt, dass die Pädagoginnen zunächst das ästhetische Potenzial der Situation, in der sich das Kind befindet, erkennen. Darüber hinaus sollen sie sich in den aktuellen Wahrnehmungs- und Explorationsprozess des Kindes hineinversetzen und sich mögliche Weiterführungen vorstellen können. Oft entwickeln sich ästhetische Prozesse aus einer eigentlich anders angelegten Situation heraus und laufen damit zuweilen den Erwartungen oder Planungen der Erwachsenen zuwider. Ob der unerwartete Verlauf zugelassen oder unterbunden wird, muss entschieden werden. Dabei werden das pädagogische Selbstverständnis ebenso eine Rolle spielen wie die eigene Neugier und Offenheit für ästhetische Prozesse oder pragmatisch-situative Aspekte. Wenn der in Gang kommende ästhetische Prozess zugelassen wird, kann sich in dessen Verlauf die Frage stellen, ob und ggf. wann und wie aktiv in den Prozess eingegriffen werden soll, um ihn zu unterstützen oder weiterzuentwickeln. Das beobachtete ästhetische Interesse der Kinder kann jedoch auch später wieder aufgegriffen werden.

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Entscheidend für das Schaffen einer ästhetischen Atmosphäre sind u.a. räumliche, zeitliche und organisatorische Faktoren. Die Unterstützung und Förderung des ästhetischen Handelns und Lernens der Kinder bedeutet das Eingehen auf deren situative, spontane und persönliche ästhetische Interessen, Wünsche und Bedürfnisse. Dies verlangt auch individuelle und flexible Lösungen für die Bereitstellung von Zeit, Raum und Material.

Wenn Kinder von ästhetischen Impulsen, Phänomenen und Aufgaben erfasst und begeistert sind, möchten sie ihre Eindrücke, Fantasien und Absichten unmittelbar und sofort weiter verfolgen. Genauso schnell wie das ästhetische Interesse entsteht, erlischt es auch, oder aber es bleibt über einen längeren Zeitraum – auch mit Unterstützung der Pädagogin – stabil. Das Eingehen auf die ästhetischen Anliegen der Kinder bedeutet, die individuellen Zeiten der Kinder wahrzunehmen und ihnen entsprechende Zeitphasen zuzugestehen.

Kinder benötigen Orte für ihre bildnerischen Auseinandersetzungen, die sie ungehindert und jederzeitig benutzen können. Arbeitsräume und Arbeitsplätze müssen keine komplizierten und aufwendigen Fachräume sein. Räume zum ästhetischen Forschen und Experimentieren können kleinere (durch Paravents oder Vorhänge) abgetrennte Bereiche, z.B. Kunstecken oder Kunsttische im Innen- oder Außenbereich sein. Es sind auch flexible, transportable und temporäre Lösungen z.B. als Kunstregal, Kunstschrank oder Kunstkoffer denkbar. Material- und Werkzeugkisten lassen sich auf Rollbrettern montieren, stapeln und überall hin bewegen. So können fest eingerichtete, aber auch mobile und flexible Ateliers zum Kleben, Montieren und Formen, Malen und Zeichnen, Theater spielen usw. gebildet werden. Eine sinnvolle Begleitung erfährt das bildnerische Gestalten durch eine (themengebundene) Vielzahl von Bilder- und Sachbüchern, die in offenen Regalen präsentiert zum Anschauen und Blättern einladen. Bedeutsam können auch anregende Objekte oder Fundstücke sein, die einen ästhetischen Reiz bieten. Denn forschendes und experimentelles ästhetisches Lernen wird durch solche Reize angestoßen und findet dann auch draußen auf der Wiese, unter Bäumen, an Pfützen statt.

Das Bereitstellen unterschiedlicher Werkzeuge und Materialien ermöglicht, dass Kinder einer Lerngruppe gleichzeitig auf ungleichen ästhetischen Lernwegen aktiv sein können. Materialien und Werkzeuge müssen daher sortiert, erkennbar und frei zugänglich präsentiert und verwahrt werden. Damit die Kinder einen Überblick über die vorhandenen Gestaltungsmittel erhalten, sind diese am besten in transparenten Dosen, Kartons oder Kisten organisiert. Große Joghurtbecher mit Verschlussdeckel eignen sich für Farben und flüssige Materialien z.B. für Kleister.

Ideal für das unabdingbar regelmäßig erforderliche Präsentieren gestalteter Ergebnisse ist ein Ausstellungsort mit einem Tisch für plastische Objekte und einer Bilderwand. Auf einer solchen Weichfaserplatte können auch Bilder aus Illustrierten, Plakate, Posters, Fotos, Ansichtskarten usw. ausgestellt werden. Für die Präsentation der Kinderarbeiten eignen sich darüber hinaus Ablage- oder Aufhängemöglichkeiten wie z.B. Ausstellungstische und -wände, aber auch und Dachlatten zum Aufhängen, Wäscheleinen mit Wäscheklammern, stapelbare Trockenbretter usw. Die Präsentation des eigenständig Hervorgebrachten erfüllt die Kinder mit Stolz und Kompetenzgefühlen, sie können über ihre Bilder und deren Entstehungsprozesse erzählen und sich vielerlei Anregungen für weitere Gestaltungen holen.

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