Reflexionsprozesse sind entscheidend, um den Erwerb von Bildkompetenz nachhaltig zu fördern. Reflexion kann im Kunstunterricht auf verschiedenen Ebenen stattfinden: in der kritischen Betrachtung von Ideen, von Gestaltungsprinzipien und Ausdrucksformen (Reflexion über Praxisprozesse) ebenso wie im konkreten praktisch-gestalterischen Machen (bildnerische Praxis als Reflexion) oder auch im Reflektieren über eigene und die Schaffensprozesse anderer. Mit der kommunikativen Deutung von Bildern finden ebenso Reflexionsprozesse statt wie im Aushandeln von Bildinterpretationen. Hierbei ist die Sprache ein wesentliches Reflexionsinstrument, Reflexion kann jedoch auch im Handeln auftreten. Metakognitive Prozesse im Kunstunterricht zu initiieren bedeutet, mit Schülerinnen und Schülern über die möglichen Reflexionsweisen in Produktions- und Rezeptionsprozessen nachzudenken. Mit der gezielten kognitiven Aktivierung und der künstlerisch-praktischen Anwendung werden Sachwissen und Methodenkenntnisse langfristig im Individuum verankert und erhalten individuelle wie gesellschaftliche Relevanz. Voraussetzung kritischer Reflexion ist das Vermögen zur Selbstdistanz.
Unterricht zu reflektieren bedeutet nicht nur, über die Planung operationalisierbarer Unterrichtsschritte und die Lernwege einzelner Kinder nachzudenken, sondern darüber hinaus mit etwas Abstand und vor allem mit Zeit die eigenen Handlungen im komplexen Unterrichtsgeschehen Revue passieren zu lassen und sichtbar zu machen. Das Reflektieren kann Zusammenhänge aufdecken, die dazu führen, sich weitere Informationen über einzelne Kinder anzueignen, zusätzliche Perspektiven wahrzunehmen und neue Wege durch schwierige Situationen anzusteuern. Über Unterricht zu reflektieren ist diszipliniertes Nachdenken mit dem Ziel eines Erkenntnisgewinns, der einerseits alternative Handlungsmöglichkeiten im Lehrerhandeln eröffnet und andererseits das Wissen über die Schülerinnen und Schüler fokussiert, so dass individualisierte Lernwege gestützt werden können. Theorie- und Erfahrungswissen werden im Reflexionsprozess miteinander abgeglichen, die professionelle Handlungskompetenz wird durch die Neuordnung von eigenem Handlungs- und Erfahrungswissen geschärft.
Methodisch strukturiertes Reflektieren des Unterrichtsgeschehens beinhaltet zudem, dass eine klare Strukturierung des Unterrichts kontrolliert werden kann – beispielsweise hinsichtlich folgender Aspekte: Anteil echter Lernzeit durch gutes Zeitmanagement, Auslagerung von Organisationsdingen, Inhaltsklarheit durch Verständlichkeit der Aufgabenstellung, Gesprächskultur, Sinn stiftendes Kommunizieren etwa durch Planungsbeteiligung, lernförderliches Klima durch gegenseitigen Respekt, verlässlich eingehaltene Regeln, Verantwortungsübernahme, Rollenklarheit, Absprache von Freiräumen, Verbindlichkeit der Ergebnissicherung, fördernde Rückmeldungen zum Lernfortschritt, vorbereitete Umgebung durch gute Ordnung, funktionale Einrichtung und brauchbares Lernwerkzeug. Wie organisiere ich Unterrichtsabläufe ohne großen Zeitverlust, wenn Tische abgedeckt, Wasser, Farben und Papiere hergerichtet werden müssen? Wie strukturiere ich Phasenübergänge reibungslos – Einführung in das Thema, Entwicklung der Aufgabenstellung, Gestaltungspraxis, Gespräche über die Gestaltungsprozesse, Bilder einbeziehen, Reflexionsphasen einbinden? Als eine spezielle Herausforderung des Kunstunterrichts erweist sich immer wieder der Spagat zwischen einer streng operationalisierten Vermittlung von Lerninhalten (z. B. Einüben bildnerischer Mittel, Kenntnisse über die Verarbeitung von Werkstoffen, Erlernen von Deutungsrepertoires) und dem kreativen, experimentellen, spontanen Schaffensprozess. Auch hierüber lohnt sich die Reflexion, denn die Fähigkeit, diesen Spagat zu leisten, ist Bestandteil fachlicher Professionalität.